DWT- Geprägt von Frauen Teil 06

Amateur

Teil 6 – Ein Tag vor Renates Geburtstag

Autorin: Marina Abaton

Es klingelt drei Mal, die vier Stadtbummlerinnen kommen mit lautem Hallo schwer bepackt vom Shoppen zurück. Regina stutzt „Marina, du bist ja noch da?” „Ja, das ist eine vorgezogene Geburtstagsüberraschung für dich meine Liebe, denn Marina macht für dich, die von dir gewünschten Minifrikadellen und die ungarische Gulaschsuppe” versucht Karin das Stimmengewirr zu übertönen.

Ich weiß nicht wie mir geschieht, denn Regina lässt ihre beiden Tragetaschen fallen, stürmt auf mich zu, fällt mir um den Hals und sagt „Danke, danke, danke — vielen Dank Marina”.

Nun übertönt Claudia die anderen Unterhaltungen „Karin, du glaubst nicht, wer heute Abend noch kommt — Gudrun — sie ist aus den Staaten endgültig wieder zurück” sie wendet sich mir zu und spricht weiter „Keine Sorge Marina, wir haben ihr von dir erzählt, und sie freut sich schon darauf, dich heute Abend kennenzulernen. Außerdem bringt sie eine Torte für uns alle mit”.

Bevor ich das verarbeiten kann, winkt Birgit, „Marina kommst du mal bitte”. Wir gehen ins Gästezimmer. Sie steht vor mir, die Hände in den Hüften und sagt „Du bist mir noch eine Antwort schuldig, also, wie ging es dir?”

Sie bringt mich nicht aus der Fassung „Birgit, der Anblick deiner Beine in den Stiefeln hat mich erregt, ja, mein Blick wurde immer wieder hingezogen, ja, aber ich hatte keine Probleme und erst recht keinen Druck, der unbedingt rausmusste”.

Sie schaut mich prüfend an „kann ich sie dann heute Abend auch anlassen, oder wäre das zu viel für dich?” Ich schüttele den Kopf „Behalte sie gerne an Birgit, du siehst großartig damit aus”. „Danke” sagt sie und weiter „ich habe dir noch einiges mitgebracht, komplette Rasierutensilien, falls du deine Beine usw. mal rasieren möchtest, eine Pflegelotion, ein leichtes Eau de Toilette und von Wolford noch zwei Paar Strümpfe. Ich lege das alles in deinen Schrank. So und gehen wir wieder zu den anderen”.

Im Wohnzimmer ist immer noch Stimmengewirr, aber ich bemerke Karins fragenden Blick, der zwischen Birgit und mir hin und her geht. Daraufhin nicke ich ihr nur kurz zu, und sie versteht. Sie steht auf und bittet mich mitzukommen, weil sie mir im Gästezimmer etwas zeigen möchte, Sie nimmt aus einem Paket im Schrank eine Slipeinlage heraus und sagt leise zu mir „Ich weiß aus deinen Erzählungen, dass du die wichtigen Dinge für Frauen kennst. Gehe bitte ins Bad und lege die Einlage passend für dich ein. Dasselbe machst du dann auch vor dem Schlafengehen”. Ja, da hätte ich auch selbst draufkommen können, aber gut das ist erledigt und ich gehe in die Küche, wo die Mädels schon am Rotieren sind.

Ich beteilige mich sofort an den Vorbereitungen, bin gerade beim Petersilie hacken, da spüre ich jemanden an meinem Rücken „Pst, ganz stillstehen bleiben” höre ich eine leise Stimme, es ist wieder mal Birgit und sie legt mir eine große, schwarze, beschichtete Schürze an, hinter dem Kopf, und in Taillenhöhe am Rücken mit je einer Schleife zumacht. Jetzt bleibt dein Kleid sauber sagt sie und fängt an das zarte Rindfleisch zu zerteilen.

Und ich, ich muss mal kurz mein Gehirn zur Ruhe bringen – Stiefel, Plastik-Schürze, Einlage — Ich schalte abrupt um „Mädels ich muss wissen ob und wieviel Knoblauch in die Suppe darf”. Alle melden sich „deftig und scharf”.

Es klingelt, konya travesti Karin öffnet die Tür und die lange vermisste Gudrun kommt herein. Regina nimmt ihr schnell die Torte ab, damit sie bei den stürmischen Umarmungen nicht herunterfällt. Und nun muss Gudrun erzählen, wie es ihr ergangen ist, denn sie studierte an der „Medizinischen Fakultät der Universität von San Francisco”.

Ich halte mich zurück, weil sie für mich noch eine Unbekannte ist, bemerke aber, dass ihr Blick immer wieder mal zu mir huscht. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich nach dem Gulasch sehen muss „Entschuldigt ihr mich bitte, die Gulaschsuppe erfordert meine Anwesenheit in der Küche”.

Auf dem Weg dorthin, suche ich zwischendurch das WC auf und als ich es wieder verlasse höre ich Karin „…..ist ein Junge, sieht auch so aus. Ist im Kopf aber eine Frau, handelt auch so, trägt Kleider, weil sie sich darin wohlfühlt, das erregt sie aber überhaupt nicht im üblichen Sinn, sie ist gern unter Frauen, will mit Jungs nichts zu tun haben, hätte nach meinem Dafürhalten aber gern eine sexuelle Freundin, also eine Frau.

Gudrun glaube mir, das „Er” kannst du vergessen, während der Abende, die wir mit Marina verbracht haben, war nie ein Mann, sondern immer nur eine Freundin anwesend”.

Ich schleiche mich mit einem schlechten Gewissen, weil ich gelauscht habe, in die Küche und rumore extra laut bei meinen weiteren Vorbereitungen – weil ich mich wegen des Lauschens schäme? Wahrscheinlich.

Kurze Zeit später steht Renate bei mir in der Küche „Marina, ich freu mich so, dass du für mich kochst” hakt sich in meinen Arm „aber jetzt gehen wir Kaffee trinken und Torte essen”.

Es ist ein wundervoller Tag, ich sitze zwischen sechs außergewöhnlichen Frauen — meinen Freundinnen — trinke Kaffee, esse Torte — da spricht mich Gudrun plötzlich direkt an „Marina, was studierst du denn”.

Stille, in meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken, aber dann sage ich lauter als üblich, und leicht aggressiv „Ich wünschte ich würde studieren, ich bin Sternzeichen Wassermann und hätte gern eine künstlerische Laufbahn eingeschlagen. So in Richtung Mode, Musik, Gestaltung oder Architektur”, und spreche weiter „das war mir aber leider nicht möglich da ich aus einer kinderreichen Arbeiterfamilie komme”.

„Ihr könnt sagen — das ist doch kein Grund — richtig. Aber es ist die Ursache. Ich wurde in der Schule als Muttersöhnchen und Streber verlacht und habe trotzdem, oder gerade deswegen, meine Arbeiten so geschrieben das sie mit gut und sehr gut benotet wurden”.

„Nach der vierten Klasse habe ich zwei Prüfungen durchlaufen, für die Mittel- und Oberschule, und beide nacheinander bestanden. Mein Klassenlehrer war stolz auf mich. Aber dann kam der Hammer, meine Eltern gaben nicht die Einwilligung für die Oberschule, sondern sagten „das können wir uns nicht leisten, er soll was Anständiges lernen und Geld verdienen”.

Ganz erschrocken schaue ich zu Karin, denn sie schlug mit ihrer Faust auf den Tisch, sprang auf und läuft gerade von der Terrasse in die Wohnung. Was ist passiert?

Es ist still am Tisch, Birgit steht auf und geht Karin hinterher. Und Renate? Sie steht auf, kommt zu mir, hockt sich neben meinen Stuhl, nimmt meine rechte Hand und sagt „Das war ein Riesenfehler von deinen Eltern, dir wurde übel mitgespielt, aber glaube mir Marina, du wirst deinen Weg gehen und wir werden dich dabei in jeder Hinsicht unterstützen”.

Diese tröstenden und gleichzeitig aufbauenden Worte drücken einige Tränen aus meinen Augen, denn sie haben mich tief berührt. Aber dann schießt mir durch den Kopf, so geht das doch nicht „Mädels, jetzt aber ein anderes Thema, wir wollen doch fröhlich in Renates Geburtstag hineinfeiern, und ich muss mal wieder in die Küche, um nach der Suppe zu sehen”.

Auf dem Weg dorthin komme ich am Bad vorbei, und sehe Karin und Birgit eng umarmt. „Komm mal zu uns Marina” höre ich Karin ganz leise sagen. Ich gehe zu ihnen und werde in die Mitte genommen. „Meine Hochachtung dir gegenüber wächst immer mehr” sagt Karin und sieht mich an. Oh Gott, Karin hat geweint, denn sie hat ganz rote Augen. „Du bist so stark, trotz der vielen Unwägbarkeiten in deinem Leben akzeptierst du alles und machst das Beste daraus. Ich bin echt froh, dich als Freundin zu haben Marina”. „Ich empfinde genau so, denke ja nicht, dass du weniger wert bist als andere Menschen” höre ich noch von Birgit.

Dann will ich mich lösen und sage „Danke, aber ich muss jetzt schnell in die Küche, sonst zerfällt mir noch das Fleisch”. Aber erst werde ich von den beiden noch gedrückt, und bekomme von jeder Seite ein Küsschen auf die Wange. Nun aber schnell zur Gulaschsuppe!

Während ich in der Küche noch wirbele, gehen die noch nicht schick gekleideten Mädels, ins Schlafzimmer und ziehen sich um. Ich rühre in Gedanken versunken die frischen Kräuter in die Suppe. Ich fühle mich, ja, wie? Dafür gibt es keine Worte! Intelligente, gutaussehende Frauen sind meine Freundinnen, sie akzeptieren mich und geben mir eine vorher unbekannte Kraft, ich fühle mich riesig — nicht wie ein minderwertiger Mensch, der als Mann in Frauenkleidung rumläuft.

Plötzlich steht Renate wieder mal hinter mir, ich drehe mich um und sie sagt zu mir „Marina, die Rinderfilets kannst du morgen Mittag grillen, wir haben doch so viel zu essen, haben sogar schon Torte verspeist. Und ich möchte nicht, dass du noch länger wie ein Hausmädchen rumläufst. In deinem Schrank hängt so ein schickes schwarzes Kostüm mit silbernen Applikationen, dazu könntet du dir auch ein erstes Mal bei uns Strümpfe anziehen. Darf ich mir das zu meinem Geburtstag wünschen?

Ich kann nur ein „Ja gerne” herausbringen, Renate verschwindet aus der Küche und ich gehe ins Bad, setze mich auf den Hocker und vergrabe den Kopf in meinen Händen. Dieses Wochenende stürmt so viel auf mich ein, so viel Glück und Zufriedenheit — ich könnte die ganze Welt umarmen.

Aber dann reiße ich mich zusammen, und gehe duschen, noch ein zweites Mal rasieren und ab geht’s ins Gästezimmer. Ich benutze das erste Mal die Körperlotion und sprühe auch ein wenig von dem Eau de Toilette auf meinen Hals und die Handgelenke. Ich habe schon die neue schwarze Miederhose an, da fällt mir ein, so geht das nicht, erst einen Hüfthalter und dann die Miederhose — sonst gibt’s Probleme, wenn ich mal aufs WC muss.

Dann rolle ich der ersten Strumpf auf, um ihn über mein linkes Bein zu ziehen. Ich fasse es nicht — so ein unbeschreiblich schönes Gefühl auf der Haut, warum sollen Männer das nicht auch schön finden dürfen. Nachdem ich auch den BH umgelegt und den Rock angezogen habe schaue ich mir das Oberteil an, wow, von einer namhaften Boutique in Düsseldorf, und ich darf sowas schönes Tragen.

Nun noch die Kette umlegen, die Pantoletten an die Füße ziehen und ein Blick in den großen Schranktürspiegel — meine Güte, ist das ein schönes Kostüm! Ja ich weiß, irgendeine meiner Freundinnen hat das mal gekauft und für sich genutzt, jetzt aber aussortiert und mir zur Verfügung gestellt.

Auf dem Weg zur Terrasse stocke ich beim Bad, soll ich? Ja, ich gehe noch einmal hinein und ändere mit Toupieren, Föhnen und Haarspray meine wachsende Beatles-Mähne, damit sie weniger männlich aussieht. So gerade hinstellen und ab zu den Mädels.

Als ich durch die Terrassentür trete, verstummen plötzlich alle Gespräche und Gudrun, die gerade einen Schluck Kaffee trinken wollte, setzt klirrend die Tasse auf den Tisch zurück. „Das gibt’s nicht” „Wahnsinn” „Wow” „Irre” „Ich glaube es nicht” höre aus dem Stimmendurcheinander. Renate ruft mir zu „Danke Marina, schön dass du das Kostüm angezogen hast”. Birgit kommt zu mir, nimmt meinen Kopf zwischen ihre Hände und sagt „Du siehst interessant aus, und ich freue mich auf die Zukunft — du wirst… , ach warte ab”. Drückt mir ein Küsschen auf die Stirn und setzt sich wieder.

Ich schaue mich um, sehe den einzig freien Platz am Tisch zwischen Renate und Gudrun und setze mich dorthin. Wieder schüttele ich innerlich und unbewusst meinen Kopf, ich, ein schüchterner Junge sitze in modischer Frauenkleidung zwischen wunderhübschen Frauen, angehenden Ärztinnen, Psychologinnen und Anwältinnen — gleichberechtigt als Freundin — das kann doch nur ein Traum sein.

Da höre ich Renate, wie durch dicken Nebel, „Marina, träumst du, warum antwortest du mir nicht”. „Entschuldige bitte, dass ich dir nicht zugehört habe, mir geht gerade so viel durch den Kopf. Was sagtest du eben?”

„Während du dich umgezogen hast, haben wir besprochen, dass du ab deinem Geburtstag mindestens eine Woche Urlaub nehmen musst, und das ist keine Bitte, sondern ein Muss!” Verblüfft schaue ich Renate an und sehe, dass alle anderen ein Lächeln im Gesicht haben. „Warum das denn, im kalten Februar?” Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?” fragt Renate. „Ja natürlich”. „Meine liebe Marina, glaube mir, wir auch” lacht Renate und alle anderen schließen sich dem an.

Nun ist Gudrun wieder dran und erzählt von ihrer Zeit in Kalifornien, besonders viel von San Francisco und der Uni. Auch ich höre interessiert zu, besonders wenn es um medizinische Forschung, Jazz und die Trauerzüge geht. Die traurige Fröhlichkeit, wenn ein geliebter Mensch dort in manchen Gegenden zur letzten Ruhestätte geleitet wird.

Es klingelt schon wieder an der Tür. Karin öffnet und Birgit steht auf einmal hinter mir und setzt mir eine riesige Brille mit gelben Gläsern auf die Nase, sieht mich an und flüstert „So erkennt dich niemand”. Jetzt wird mir aber doch wieder sehr warm, was geschieht denn jetzt, wer kommt da?

Nach einiger Zeit kommt Karin wieder raus und verkündet „So ihr Lieben, in der Küche sind zwei Servicekräfte, die das Buffet vorbereiten, alles aufbauen, Speisen auflegen und anschließend wieder abräumen und die Küche sauber hinterlassen — denn wir wollen nur noch feiern”!

Claudia hat inzwischen die Außen-Musikanlage und die bunte Lampion Kette angeschaltet, alle anderen zünden die Kerzen in den Windlichtern an und die Servicekräfte bauen das Buffet auf. Klasse, die Suppe wird auf eine mitgebrachte kleine Wärmeplatte gestellt, sie wird also nicht kalt.

Fortsetzung folgt

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